(Frei-)Räume schaffen

Seit über zehn Jahren organisiert die ökumenische Jugendarbeit «echo» halbjährlich für Jugendliche aus Münsingen und Umgebung die WG-Woche. Während jeweils einer Schulwoche wohnen Jugendliche gemeinsam mit zwei Jugendarbeitenden in einer temporären Wohngemeinschaft im Pfadiheim Chutzerüti. Jugendliche können so zum ersten Mal etwas «WG-Luft» schnuppern und beim selbständigen Organisieren des Einkaufs, des Abendessens, des Abwaschs und der Abendprogrammgestaltung in hohem Masse Eigeninitiative, Mitbestimmung und Mitwirkung erleben. Die WG-Woche erfreut sich seit jeher grosser Beliebtheit bei den Jugendlichen und hat sich längst als eines der Hauptangebote des «echo» etabliert.

WG-Woche im Pfarrhaus

Die letzte WG-Woche im vergangenen November war anders. Denn sie fand ausnahmsweise im zur Zeit leerstehenden herrschaftliche Haus am Pfarrstutz statt. Die Zwischennutzung des Pfarrhauses war in vielen Belangen etwas Aussergewöhnliches: So mussten die leeren Küchenregale provisorisch mit Pfannen, Teller und Besteck ausgestattet werden. Anderseits wurden die unmöblierten Wohn- und Schlafräume mit Lichterketten, gemütlichen Sofas, Teppichen und Luftmatratzen wohnlich gestaltet. Trotz erheblichem Mehraufwand war die Durchführung der WG-Woche an diesem Ort ein einmaliges Erlebnis: Der Charme des Hauses mit seinen rund zehn bewohnbaren Zimmern, bot allen 15 WG-Bewohnenden genügend Platz und Möglichkeiten sich zu entfalten.

Die Idee: Pizzaofen im Garten

Während dieser WG-Woche liessen sich die Jugendlichen zusammen mit den Jugendarbeitenden vom schönen Haus und seinem grosszügigen Garten inspirieren. Gemeinsam wurde in einer gemütlichen WG-Runde über das grosse Potenzial des ungenutzten Gartens sinniert. So konkretisierte sich seither die Idee, im Garten am Pfarrstutz 1 eigenhändig einen Pizzaofen zu bauen und diesen später für gemütliche Abende unter Jugendlichen zu nutzen. Gerade zu dieser Zeit liefen in der Kirchgemeinde der Entscheidungsprozess bezüglich der Umnutzung des Pfarrhauses. Die ökumenische Jugendarbeit «echo» nutzte die Gunst der Stunde und legte dem Kirchgemeinderat das Projekt «Pizza Mondfahrt» vor.

Bei Vollmond: Pizza!

Bald darauf lancierte die ökumenische Jugendarbeit «echo» mit «Pizza Mondfahrt» das neue Jugendprojekt. Fünf Jugendliche aus Münsingen bauen zurzeit mit der Unterstützung des Freizythuus und Jugendarbeiter Pierino Niklaus im Garten des ehemaligen Pfarrhauses einen Pizzaofen. Nach den Frühlingsferien soll der Ofen mit einem kleinen Fest eingeweiht werden und später den Jugendlichen zum Pizzabacken zur Verfügung stehen. Bevor es aber soweit ist, braucht es noch einige Arbeitsschritte: Auf die bereits bestehende Backfläche mit Schamottesteinen wird in den kommenden Tagen ein Negativ des Ofeninnenraums aus Holz gebaut. Abschliessend wird dieses Negativ mit Lehm und Stroh von aussen zugepflastert und dann kurz vor der Einweihung ausgebrannt. Die zukünftigen Pizza-Mondfahrt-Events werden jeweils bei Vollmond stattfinden. Da der Vollmond nicht immer auf den gleichen Wochentag fällt, können so auch Jugendliche teilnehmen, die an fixen Abenden Verpflichtungen haben.

Partizipative Jugendarbeit

Mit dem Projekt «Pizza-Mondfahrt» führt die ökumenische Jugendarbeit «echo» ihre bewährte Arbeit mit projektartigen, bedürfnisorientierten und partizipativen Angeboten für und mit Jugendlichen fort. Seit jeher steht dem «echo» kein fixer Jugendraum oder Jugendtreff zur Verfügung. So eignet sich die ökumenische Jugendarbeit zur Umsetzung neuer Projekte und Angebote jeweils neue Orte an. Sei dies im öffentlichen Raum, wie beispielsweise mit dem Projekt «Escape Room» im Schlosspark oder innerhalb ihren kirchlichen Räume mit dem Projekt «Blinde Palme», als neun Jugendliche das reformierte Kirchgemeindehaus vorübergehend in ein Restaurant im Dunkeln umfunktionierten. So schafft «echo» je nach Projekt neue Freiräume, die von den Jugendlichen gestaltet und verändert werden können. Somit kommt die ökumenische Jugendarbeit echo in ihrer Praxis seinem Leitbild nahe, welches unter dem Punkt «Raum schaffen» fordert, dass die Kirche für Jugendliche nicht zuletzt als überraschender «Andersort» erfahren wird.

Autor: Pierino Niklaus

Datum: April 2020